Kapitel 2. Das Problem der gesellschaftlichen Ordnung

Als Einziger auf seiner Insel, kann Robinson Crusoe tun und lassen was er will. Die Frage nach Regeln für ein geordnetes Zusammenleben, kommt ihm gar nicht erst in den Sinn. Diese Frage kommt erst dann auf, wenn die zweite Person, Freitag, auf die Insel ankommt. Selbst dann bleibt die Frage jedoch weitestgehend irrelevant, solange keine Knappheit herrscht. Stellen wir uns vor, es handelt sich bei der Insel um den Garten Eden; alle äußeren Güter sind im Überfluss vorhanden. Die Güter sind „frei“ im selben Sinne wie die Atemluft „frei“ ist und Crusoe kann über diese Güter frei verfügen. Seine Handlung haben dabei weder einen Einfluss auf die Verfügbarkeit dieser Güter für ihn, noch auf die jetzige oder zukünftige Verfügbarkeit der Güter für Freitag (und umgekehrt). Im Bezug auf diese Güter, kann es also niemals zu einem Konflikt zwischen Crusoe und Freitag kommen. Ein Konflikt kann nur dann entstehen, wenn Knappheit herrscht. Erst dann müssen Regeln aufgestellt werden, damit ein geordnetes - konfliktfreies - Zusammenleben möglich wird.

Im Garten Eden gibt es bloß zwei Güter die knapp sind: Der Körper einer Person und die Fläche auf dem er steht. Crusoe und Freitag haben jeweils nur einen Körper und können immer nur an einer Stelle stehen. Es können also selbst im Garten Eden Konflikte aufkommen: Crusoe und Freitag können nicht zugleich an der gleichen Stelle stehen ohne dabei physisch in Konflikt zu geraten. Dementsprechend muss es selbst im Garten Eden Regeln geben, damit ein geordnetes zusammenleben möglich wird - Regeln über die Platzierung und Bewegung von Personen. Außerhalb vom Garten Eden, im Reich der Knappheit, muss es nicht nur Regeln über Körper geben, sondern über alles was knapp ist, sodass alle möglichen Konflikte ausgeschlossen werden können. Das ist das Problem der gesellschaftlichen Ordnung.