Table of Contents

Vorwort
Das Problem der gesellschaftlichen Ordnung
Die Lösung: Privateigentum und originäre Aneignung
Missverständnisse und Klarstellungen
Die Wirtschaftlichkeit des Privateigentums
Der klassische Ursprung
Abwege aus Chicago
Eigentumsrechte: Materiell und Immateriell
Gesetze zum geistigen Eigentum
Die Arten geistigen Eigentums
Urheberrecht
Patent
Geschäftsgeheimnis
Markenzeichen
Das Verhältnis vom geistigen zum greifbaren Eigentum
Geistiges Eigentum im Libertarismus
Das Spektrum
Die utilitaristische Verteidigung
Die naturrechtliche Verteidigung
Geistiges Eigentum und Eigentumsrechte
Eigentum und Knappheit
Knappheit und Ideen
Schöpfung kontra Knappheit
Zwei Arten der originären Aneignung
Geistiges Eigentum als Vertrag
Die Grenzen von Verträge
Vertrag kontra vorbehaltene Rechte
Urheberrecht und Patente
Geschäftsgeheimnisse
Markenzeichen
Schlussfolgerung
Anhang
Einige Fragliche Beispiele zum Patent- und Urheberrecht

Vorwort

Stephan Kinsella hat 2001 einen bahnbrechenden Artikel mit dem Titel “Gegen Geistiges Eigentum” (engl. Against Intellectual Property) geschrieben und mittlerweile lässt sich in libertären Kreisen kaum eine Unterhaltung zum Thema geistiges Eigentum führen, ohne auf diesen Artikel zu verweisen. Ich freue mich mit diesem Buch den Artikel auch in deutscher Sprache zur Verfügung zu stellen, denn auch in Deutschland wird immer häufiger vor allem das Urheberrecht in Frage gestellt. Zur Untermauerung dieser Position, ist die Lektüre dieses Buches unerlässlich.

Technische Innovation und das Heranwachsen einer Generation, die sie als selbstverständlich ansieht, macht es unvermeidlich, dass sich am Urheberrecht etwas ändern wird. Einer der lautstärkeren Befürworter für Reform, Lawrence Lessig, der insbesondere im Internet entstandene Kulturen beobachtet, sagt folgendes dazu:

Das Problem ist eine bestimmte Architektur der Gesetzgebung zum Urheberrecht – die Art wie diese Architektur in der Informationsgesellschaft angewandt wird. Jede sinnvolle und vernünftige Reaktion auf die rasante Ausbreitung digitaler Technologie, konfrontiert mit dieser veralteten Architektur, wäre sie zu ändern – zu aktualisieren, sie ins einundzwanzigste Jahrhundert zu bringen[1]

Prof. Lessig hat sicherlich Recht, dass die derzeitige Gesetzgebung verändert werden muss. Das beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Urheberrecht, sondern gilt auch für das Patentrecht. Dieses ist seit seiner Entstehung auf solch fragwürdige Gebiete ausgeweitet worden, wie die Softwareentwicklung, Gensequenzen und sogar Geschäftspraktiken[2]. Es entsteht eine Situation bei der sich Firmen nie sicher sein können, vielleicht gerade ein Patent zu verletzen und somit andauernd Gefahr laufen verklagt zu werden. Eine Situation in der man sich nicht sicher sein kann rechtmäßig zu handeln, in der man andauernd einer scheinbar willkürlichen “Ordnung” ausgesetzt ist, kann in Grenzen als tyrannisch bezeichnet werden. Ein Pharmaunternehmen kann sich nicht sicher sein, ob seine Forscher nicht gerade etwas entwickeln, was die Patente eines Konkurrenten verletzt. Sie sind gezwungen zur Anheuerung von Rechtsbeistand, sei es auch nur zur Verteidigung in einem möglichen “Patentkrieg”. Rechtmäßig zu handeln ist in dieser Situation praktisch nur für Großunternehmen möglich, da nur diese sich die Anwälte leisten können um herauszufinden was rechtmäßig ist.

Die sich im Internet entwickelnde “Remix” Kultur kann sich schon prinzipbedingt nicht an geltende Gesetzgebung halten, da die von ihnen geschaffenen Werke auf andere urheberrechtlich geschützten Werken beruhen. Die Teilnehmer dieser Kultur werden also alleine schon durch ihre Teilnahme implizit zu Kriminellen. Wenn diese Kulturschaffenden nicht der Ansicht sind, dass sie einen Rechtsbruch begehen und diese Ansicht in der Gesellschaft weite Akzeptanz findet, hat das schwerwiegende Folgen für das Verhältnis zwischen Bürgern und Gesetzgebung. So Lessig:

Die Frage die wir, als verantwortungsbewusste Mitglieder einer Demokratie, stellen müssen ist ob dieser Krieg gut ist der unsere Kinder kriminalisiert. Wir leben in einer Zeit der Verbote, in der wir unser Leben zunehmend unter Missachtung der Gesetzgebung leben … Wir müssen uns bewusst werden, welch korrosive Wirkung diese Praxis hat.[3]

Tatsächlich, kann man “korrosiv für die Demokratie” als Wegweiser ansehen. Die Artikel in diesem Buch stammen aus eben solch einer philosophischen Richtung, welche die Demokratie nicht als selbstverständlich ansieht, und in der die kritische Betrachtung parlamentarischer Gesetzgebung praktisch die Norm ist. Es handelt sich um den Libertarismus in der Tradition von Murray N. Rothbard, vertreten in diesem Buch von Hans-Hermann Hoppe und Stephan Kinsella.

Das besondere an der hier dargelegten Kritik am geistigen Eigentum (im weiteren auch g.E.), ist ihre Begründung durch Prinzipien. Es ist eine kritische Betrachtung der zugrundeliegenden philosophisch-ethischen Rechtfertigungen vom g.E. Dies steht im starken Kontrast zu der üblichen Kritik aufgrund empirischer Betrachtungen oder der Abwägung von Interessen verschiedener gesellschaftlichen Gruppen wie Urheber, Verleger und Privatpersonen. Wenn sich für geistiges Eigentum keine ethisch Grundlage finden lässt, dann ist die fragwürdige Entstehungsgeschichte des Urheberrechts zwar aufschlussreich, jedoch zweitrangig. Ebenso können die Interessen diverser gesellschaftlicher Gruppen nur gegeneinander aufgewogen werden, wenn es sich dabei um rechtmäßige Interessen handelt.

Betrachten wir z.B. die in Europa auf politischer Ebene wohl vehementesten Befürworter für eine Reform der Gesetze zum g.E., die Piratenparteien. Keine von ihnen geht so weit sie völlig abschaffen zu wollen. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, schließlich ist ihre Kritik keine prinzipielle, sondern das Ergebnis einer Abwägung zwischen den Interessen der Urheber und aus ihrer Sicht wesentlich wichtigere gesellschaftliche Interessen:

Systeme, welche auf einer technischen Ebene die Vervielfältigung von Werken be- oder verhindern (“Kopierschutz”, “DRM”, usw.), verknappen künstlich deren Verfügbarkeit, um aus einem freien Gut ein wirtschaftliches zu machen. Die Schaffung von künstlichem Mangel aus rein wirtschaftlichen Interessen erscheint uns unmoralisch, daher lehnen wir diese Verfahren ab. Darüber hinaus behindern sie auf vielfältige Art und Weise die berechtigte Nutzung von Werken, erschaffen eine vollkommen inakzeptable Kontrollierbarkeit und oft auch Überwachbarkeit der Nutzer.[4]

Das ist freilich keine prinzipielle Kritik und es wundert dementsprechend nicht, dass die Piratenpartei die “wirtschaftlichen Interessen der Urheber” als “berechtigt” ansieht. Es wäre dieser Partei zu empfehlen die Begründung für “erscheint uns unmoralisch” etwas tiefer zu untersuchen. Auch Lawrence Lessig zweifelt nicht an der grundsätzlichen Berechtigung vom g.E.:

Das Urheberrecht muss geändert und nicht abgeschafft werden. Ich lehne die Rufe vieler (meiner Freunde) ab, das Urheberrecht im wesentlichen zu beenden.[5]

Eben diese Berechtigung ist jedoch zu bezweifeln. Wie so oft in der Geschichte brauchen Interessensgruppen sich um die Antworten kaum sorgen machen, wenn gar nicht erst die richtigen Fragen gestellt werden. Angesichts der oben dargestellten, im wesentliche utilitaristischen Betrachtungen, haben sie auf diesem Gebiet wahrlich ganze Arbeit geleistet. Die wirkliche Fragestellung muss lauten: Ist geistiges Eigentum ethisch vertretbar? Angesichts ihrer Entstehungsgeschichte, als Mittel zur Zensur und zur Gewährung von Monopolen auf ideelle Objekte, sowie zum Vorteil wirtschaftlicher Interessensgruppen, sollte es nicht weiter verwundern wenn diese Gesetze einer Untersuchung ihrer ethischen Rechtfertigung nicht standhalten. Es sollte nicht weiter verwunderlich sein herauszufinden, dass diese parlamentarisch gewährten Privilegien unter Missachtung grundlegender Rechte (insbesondere Eigentumsrechte) zustandegekommen sind.

Eben diese Fragestellung untersucht Stephan Kinsella in seinem Artikel “Gegen Geistiges Eigentum”, zum ersten Mal veröffentlicht im “Journal of Libertarian Studies 15, no. 2” im Frühling 2001. Dieser Artikel hat für einiges Umdenken in libertären Kreisen gesorgt. Seine rigorose Argumentation, sowie logische und schlüssige Beispiele haben - zumindest in diesen Kreisen - sehr viele überzeugt.[6] Man könnte meinen, es fehlt diesem Buch zur Überzeugung eine empirische Betrachtung der Folgen von g.E. sowie des potentiellen Ausgangs (besser: der möglichen Konsequenzen), sollte man es abschaffen. Solche Bedenken sind nur ein Randnotiz und werden ohnehin zur Genüge etwa in “Against Intellectual Monopoly[7] behandelt. Sie zu ignorieren ist allerdings nur konsequent, denn hierbei handelt es sich um eine Untersuchung ethisch vertretbarer Handlung aus einer theoretischen Perspektive. Wenn aus der theoretischen Argumentation folgt, dass g.E. ethisch nicht vertretbar ist, sind die Bedenken über die Art wie eine Gesellschaft ohne sie funktionieren könnte im wesentlichen ein “praktisches Problem[8], mit dem wir uns hier nicht zu lange aufhalten wollen.

Es sei nur soviel gesagt: Libertäre haben ein praktisch grenzenloses Vertrauen in freie Märkte; was nichts anderes heißt, als dass sie darauf vertrauen, dass Menschen die sich ethisch verhalten und auf freiwilliger Ebene miteinander kooperieren, für ihre Probleme Lösungen finden werden. Tatsächlich zeichnen sich solche Lösungen bereits heute ab. Wenn wir z.B. das Problem der Finanzierung der Urheber betrachten, sehen wir bereits mit dem heutigen Urheberrecht, dass Künstler durch den eigentlichen Verkauf ihrer Arbeit nach der Veröffentlichung kaum Geld verdienen. Einen Ausgleich schaffen alternative Einnahmequellen, wie etwa Konzertauftritte. Das wesentliche Problem, welches sich durch die digitalen Medien ergibt ist, dass die Finanzierung eines Werkes nach der Veröffentlichung nicht praktikabel ist, da die Konsumenten durch freie Quellen an das Werk gelangen können. Wenn zwei Gruppen, in diesem Fall diejenigen die geistige Schöpfungen herstellen und diejenigen die sie gebrauchen, ein gemeinsames Interesse an der Produktion von Kunst oder Innovationen haben, erwartet ein Libertärer, dass sich auf einem freien Markt Lösungen entwickeln. Diese müssten z.B. einem Künstler ermöglichen vor der Veröffentlichung seiner Werke angemessen entlohnt zu werden. Tatsächlich lässt sich bereits heute solch eine Lösung am Beispiel von “kickstarter[9] beobachten. Hier können Künstler ihre Projekte vorstellen zusammen mit dem dafür nötigen Budget. Jeder der ein Projekt realisiert sehen möchte (und einen der vom Künstler angebotenen Boni ergattern möchte), steht es frei das Projekt finanziell zu unterstützen. Es ist nichts anderes als eine moderne Version und eine Wiederbelebung des vor dem Urheberrecht verbreiteten Prinzips der Patronage.

Bevor wir jedoch zu der Kritik von Kinsella am geistigen Eigentum kommen, ist es unerlässlich ein fundiertes Verständnis der ethischen Grundlagen von greifbarem Eigentum zu haben. Eigentum wird, insbesondere auf politischer Ebene, gerne als etwas relatives betrachtet. Sofern man z.B. die Enteignung eines Grundbesitzers aufgrund der vorgeblich wichtigeren wirtschaftlichen Interessen (man möchte unterstellen: aufgrund politischer Kontakte) eines Dritten oder zum undefinierten “Wohle der Allgemeinheit” und mit Verweis auf Gesetzgebung[10], auch nur ansatzweise als legitim betrachtet, wird man der Argumentation von Kinsella schwerlich folgen können. Eigentum ist ja gerade dadurch definiert, wer über ein bestimmtes Objekt verfügen darf. Beanspruchen Andere dieses Recht für sich, so beanspruchen sie per definitionem Miteigentümer zu sein. Da die letztendliche Verfügungsgewalt über dieses Eigentum beim Gesetzgeber liegt, könnte man sogar behaupten, dass der “Eigentümer” gar keiner ist, sondern dass der Gesetzgeber Eigentümer ist und derjenige den er Eigentümer nennt lediglich ein Nutzungsrecht hat, das jederzeit auch wieder entzogen werden kann. Bevor wir also dazu übergehen die Ausweitung von Eigentumsrechten auf ideelle Dinge zu untersuchen, muss geklärt werden ob diese Praxis ethisch vertretbar ist. Zu diesem Thema liefert Hans-Herman Hoppe eine wundervolle Argumentation, man kann sogar sagen Beweisführung, in der Form des Artikels “Privateigentum: Grundlage von Ethik und Wirtschaft[11].

Hoppe zeigt in diesem Artikel auf rigorose und kompromisslose Art, wie wesentlich das Eigentumsrecht für ethisches Handeln ist. Es wird auch deutlich, dass es sich bei der darauffolgenden Kritik am g.E. lediglich um eines von vielen Beispielen für die konsequente Anwendung des Eigentumsrechts handelt. Es ist eine Bestätigung der Aussage von Rothbard: “Es gibt keine Rechte außer Eigentumsrechte[12]. Eigentum ist demnach zentral für das Verständnis der libertären Betrachtung von geistigem Eigentum in dem Artikel von Kinsella. Meine Hoffnung ist demnach nicht nur, dass dieses Buch eine heute sehr relevante grundsätzliche Kritik am g.E. aus dem angloamerikanischen Raum nach Deutschland bringt, sondern auch, dass es dazu anregt, sich näher mit dem Libertarismus zu beschäftigen.



[1] Stanford Report, August 23, 2006 Law professor and copyright expert lets ideas percolate at Breakfast Briefing http://news.stanford.edu/news/2006/august23/lessig–082306.html

[2] Vergleiche hierzu die zum Teil absurden Patente im Anhang.

[3] Stanford Report, August 23, 2006 Law professor and copyright expert lets ideas percolate at Breakfast Briefing http://news.stanford.edu/news/2006/august23/lessig–082306.html

[4] Parteiprogramm der Piratenpartei Deutschland Stand 2009

[5] Lawrence Lessig REMIX: Making Art and Commerce Thrive in the Hybrid Economy 2008 Bloomsbury Academic

[6] Es hat zum Beispiel dazu geführt, dass praktisch alle Inhalte der libertären Platform mises.org mittlerweile unter einer sehr liberalen Creative Commons Lizenz gestellt wurden. Nebenbei führt dies zu einer wesentlichen Vereinfachung rechtlicher Angelegenheiten für die hier vorliegenden Übersetzungen.

[7] Michele Boldrin und David Levine Against Intellectual Monopoly Cambridge University Press 2008 http://levine.sscnet.ucla.edu/general/intellectual/againstfinal.htm

[8] Etwas überspitzt: Wenn wir durch logische Argumentation nachweisen können, dass g.E. ethisch nicht vertretbar ist, und ein Verteidiger fragt trotzdem noch wie eine Gesellschaft ohne das Patent- und Urheberrecht funktionieren könnte, können wir die Frage zu dieser umformulieren: “Ethisches Verhalten ist doch praktisch gar nicht möglich; damit Authoren und Erfinder nicht verhungern, dürfen wir die Gewährung unethischer Privilegien nicht aufgeben”. Wäre in unserer Gesellschaft der Diebstahl institutionalisiert um etwa für die Ärmsten in unserer Gesellschaft zu sorgen, könnte man analog fragen: “Wir müssen uns doch gegenseitig ausrauben, damit die Ärmsten unter uns nicht verhungern”. Ich hoffe es leuchtet ein, dass wir bei solch einem Konsens sicherlich auch ethisch vertretbare Wege finden können um für diese Gruppen zu sorgen.

[9] http://www.kickstarter.com

[10] Siehe z.B. Art.14 Absatz 3 im Deutschen Grundgesetz:

  1. Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

[11] Nicht zu verwechseln mit dem Buch von Hans-Hermann Hoppe, Economics and Ethics of Private Property.

[12] Murry N. Rothbard, “Human Rights and Property RightsPower and Market s. 291