Kapitel 6. Der klassische Ursprung

Wie eingangs angemerkt wurde, ist Privateigentum als Grundlagen von Ethik und Wirtschaft nichts neues. Es ist vielmehr ein moderner Ausdruck einer „klassischen“ Tradition, die sich bis auf Aristoteles, das Römische Recht, Thomas von Aquin, die späten Scholastiker in Spanien, Grotius und Locke zurückführen lässt.[19]

Im Gegensatz zur kommunistischen Utopie der Republik des Plato, zeigt Aristoteles die Vorteile des Privateigentums in Politik mit einer umfassenden Liste. Zunächst sorgt Privateigentum für mehr Produktion. „Was der größten Gemeinde gehört, wird am wenigsten gepflegt. Man achtet am meisten auf das was einem gehört; weniger auf das was allen gehört; zumindest sorgt man nur soweit dafür wie es einem persönlich betrifft. Selbst wenn es keinen Grund gibt die Wartung zu vernachlässigen, neigt man eher dazu die Pflicht zu vernachlässigen wenn man der Meinung ist jemand anderes kümmert sich darum.[20]

Zum zweiten, verhindert Privateigentum Konflikte und fördert den Frieden. Wenn Menschen ihre eigenen getrennten Gebiete haben, „wird es nicht die gleichen Gründe für Streit geben und die Erträge werden steigen, da jeder meint seine Arbeitskraft im eigenen Dienst einzusetzen[21]Tatsächlich ist es eine beobachtete Tatsache, dass gemeinschaftliche Eigentümer und geteilte Verwaltung, viel öfter Uneinigkeit verursacht als getrenntes Eigentum.[22] Weiterhin können wir feststellen, dass Privateigentum schon immer und überall existiert hat, während eine kommunistische Utopie noch nie spontan entstanden ist. Zuletzt werden Tugenden wie Gutmütigkeit und Großzügigkeit durch Privateigentum gefördert. Es erlaubt einem gegenüber Freunden in der Not, sich zivilisiert zu verhalten.

Das Römische Recht, vom Zwölftafelgesetz bis zum Codex Theodosianus und dem Codex Justinian, hat das Recht am Privateigentum als praktisch absolut anerkannt. Der Ursprung vom Eigentum war der unangefochtene Besitz und zuvor gesicherte Dienstbarkeit durch Nutzung. Ein Eigentümer konnte beliebig mit seinem Eigentum umgehen, und die Vertragsfreiheit wurde anerkannt. Wichtig war die Unterscheidung im Römischen Recht zwischen „nationales“ (Römisches) Recht - ius civile - und „internationales“ Recht - ius gentium.

Der Christliche Beitrag zu dieser klassischen Tradition - verkörpert durch Thomas von Aquin, die späten Scholastiker in Spanien sowie die Protestanten Hugo Grotius und John Locke - ist zweierlei. Die griechische wie die römische Zivilisation erlaubten die Sklavenhaltung. Bezeichnend war die Haltung von Aristoteles, dass die Sklaverei eine natürliche Institution ist. Im Gegensatz dazu, ist die westliche - christliche - Zivilisation, mit ein paar Ausnahmen, im wesentlichen eine freie Gesellschaft. Entsprechend war für Aquin und Locke jede Person, Eigentümer seiner selbst. Aristoteles und die klassische Zivilisation im allgemeinen, hatten darüber hinaus, eine verachtungsvolle Haltung gegenüber Arbeit, Handel und dem verdienst von Geld. Im Gegensatz dazu und in Übereinstimmung mit dem Alten Testament, lobte die Kirche die Tugend von Arbeit und Mühe. Für Aquin und Locke kam Eigentum zustande, durch Arbeit, Nutzung und Anbau auf bisher unbenutztes Land.

Diese klassische Theorie des Privateigentums, auf der Grundlage des Eigentums seiner selbst, originäre Aneignung, und Verträge (Übertragung von Rechten) fand weiterhin berühmte Befürworter wie J. B. Say. Seit der Hochzeit ihres Einflusses im achtzehnten Jahrhundert, ist die klassische Theorie bis vor kurzem, mit dem Aufkommen der Bewegung um Rothbard, in Vergessenheit geraten.

Zwei Jahrhunderte lang waren Ökonomie und Ethik (politische Philosophie) von ihrem gemeinsamen Ursprung im natürlichen Recht, zu zwei scheinbar unterschiedliche intellektuelle Unterfangen geworden. Die Ökonomie war eine „positive“ Wissenschaft ohne Werte. Es fragte „Welche Mittel sind angemessen um ein gegebenes (angenommenes) Ziel zu erreichen?“. Die Ethik war eine „normative“ Wissenschaft (wenn es überhaupt eine Wissenschaft war). Es stellte die Frage „Welche Ziele (und welche Mittel) sind gerechtfertigt?“. Wegen dieser Trennung, ist das Konzept des Eigentums aus beiden Disziplinen verschwunden. Für einen Ökonomen hörte sich Eigentum zu normativ an; politische Philosophen verbanden mit Eigentum die banale Ökonomie.

Im Gegensatz dazu, wies Rothbard darauf hin, das elementare Begriffe der Ökonomie wie direkter und indirekter Handel, Märkte und Preise sowie Aggression, Kriminalität, Schaden und Betrug nicht ohne eine Theorie des Eigentums definiert oder verstanden werden können. Die Begründung der bekannten Lehrsätze der Ökonomie die sich auf diese Phänomene beziehen ist ebenfalls nicht möglich, ohne einen impliziten Begriff des Eigentums und Eigentumsrechte. Die Definition und Theorie des Eigentums, muss vor der Definition und Begründung aller weiteren Begriffe und Lehrsätze der Ökonomie stehen.

Der einzigartige Beitrag von Rothbard, von 1960 bis zu seinem Tod 1995, war die Neuentdeckung des Eigentums und des Eigentumsrechts als die gemeinsame Grundlage der Ökonomie und der politischen Philosophie, sowie die systematische Rekonstruktion und konzeptionelle Integration der modernen Grenznutzenschule der Ökonomie mit der politischen Philosophie des Natürlichen Rechts, zu einer einheitlichen modernen Wissenschaft: Libertarismus.



[19] Siehe hierzu Murray N. Rothbard, Economic Thought Before Adam Smith. An Austrian Perspective on the History of Economic Thought, Volume I (Aldershot, UK: Edward Elgar, 1995); und Tom Bethell, The Noblest Triumph. Property and Prosperity Through the Ages (New York: St. Martin's Press, 1998).

[20] Aristoteles, Politics (Oxford: Clarendon Press, 1946), 1261b.

[21] Ibid, 1263a.

[22] Ibid, 1263b.