Die naturrechtliche Verteidigung

Andere libertäre Befürworter vom geistigen Eigentum argumentieren, dass bestimmte Ideen als Eigentum geschützt werden müssen, da sie erschaffen wurden. Rand meinte Patente und Urheberrechte wären „die gesetzliche Umsetzung der Grundlage für alle Eigentumsrechte: Das Recht einer Person an dem Produkt seiner Gedanken“.[73] Für Rand waren diese Rechte im gewissen Sinne die Belohnung für produktives Schaffen. Es ist nur gerecht, dass der Schöpfer belohnt wird wenn andere sein Werk benutzen. Aus diesem Grund sprach sie sich teils gegen ewige bestehende Patente und Urheberrechte aus–da zukünftige, ungeborene Nachkommen eines Urhebers nicht selbst für die Werke ihrer Vorfahren verantwortlich sind.

Geistiges Eigentum mit der Erschaffung eines Werks zu begründen, führt fast zwangsläufig zu dem Problem, dass es nur bestimmte Arten von Werke schützt–es sei denn, jede einzelne nützliche Idee auf die man kommt, kann als Eigentum geschützt werden (mehr dazu weiter unten). Diese Unterscheidung ob etwas geschützt werden soll oder nicht ist jedoch willkürlich. Philosophische, mathematische oder wissenschaftliche Wahrheiten kann man z.B. unter der heutigen Gesetzgebung nicht schützen, was mit dem Vorwand begründet wird, dass der Handel und das gesellschaftliche Leben zum Stillstand kommen würde, sollte man jede neue Redewendung, philosophische Wahrheit und dergleichen als das exklusive Eigentum des Urhebers betrachten. Aus diesem Grund können Patente nur auf sogenannte „praktische Anwendungen“ von Ideen gewährt werden, jedoch nicht auf abstrakte oder theoretische Ideen. Rand akzeptiert diesen unterschiedlichen Umgang wenn sie versucht zwischen nicht patentierbare Entdeckungen und patentierbare Erfindungen zu unterscheiden. Ihr Argument ist, dass eine „wissenschaftliche oder philosophische Entdeckung, die Beschreibung von einem Naturgesetz sowie zuvor unbekannte Prinzipien oder Tatsachen der Realen Welt“, nicht vom Entdecker erschaffen wurden.

Die Unterscheidung zwischen Erschaffung und Entdeckung ist jedoch nicht ganz eindeutig oder rigoros.[74] Es ist auch nicht klar warum solch eine Unterscheidung, selbst wenn sie eindeutig ist, für die Verteidigung von Eigentumsrechte ethisch relevant wäre. Niemand kann Materie wirklich erschaffen, sondern nur manipulieren und innerhalb der durch die Physik gegebenen Grenzen umformen. In diesem Sinne wird absolut nichts von irgendjemand wirklich erschaffen. Sie ändern bloß die Anordnung oder das Muster der Materie. Ein Ingenieur der eine neue Mausefalle erfindet, hat existierende Teile neu angeordnet, sodass sie eine neue Funktion erfüllen. Andere die von dieser neuen Anordnung erfahren, können nun ebenfalls eine verbesserte Mausefalle bauen. Die Mausefalle verhält sich jedoch nur nach den Regeln der Physik. Der Erfinder hat weder die Materie woraus die Falle besteht erfunden, noch die Tatsachen oder Gesetze wonach sie funktioniert.

Auf ähnliche Art, ist es durch die „Entdeckung“ der Relation E=mc² durch Einstein möglich, Materie auf eine effizientere Art zu manipulieren. Ohne die Anstrengungen von Einstein oder dem Erfinder, wüßten andere gar nicht über bestimmte Zusammenhänge, bestimmte Arten wie Materie manipuliert und ausgenutzt werden kann. Der Erfinder bemüht sich ebenso wie der theoretische Wissenschaftler neue und nützliche Ideen mit seinem Geist zu produzieren. Einer von ihnen wird belohnt, der andere jedoch nicht. Vor kurzem gab es einen Fall, indem der Erfinder eine neue Möglichkeit gefunden hat ein Zahl zu berechnen, die den kürzesten Pfad zwischen zwei Punkten repräsentierte–ein äußerst nützliches Verfahren–jedoch kein Patent gewährt wurde, weil es sich dabei „bloß“ um einen mathematischen Algorithmus handelte.[75] Es ist jedoch willkürlich und ungerecht die praktischeren Erfinder und Unterhaltungskünstler, wie Ingenieure oder Musiker zu belohnen, und die theoretischen oder mathematischen Forscher leer ausgehen zu lassen. Die Unterscheidung ist von Natur aus vage, willkürlich und ungerecht.

Desweiteren, bringt die Verabschiedung befristeter Rechte am g.E., zwangsläufig willkürliche Regeln mit sich. Patente haben beispielsweise eine Dauer von zwanzig Jahre ab dem Datum der Einreichung, während das Urheberrecht, im Falle einzelner Autoren, bis zu siebzig Jahre nach dem Lebensende andauert. Man kann ebensowenig ernsthaft behaupten, dass neunzehn Jahre für ein Patent zu kurz und ein-und-zwanzig Jahre zu lang wären, wie man objektiv sagen kann ob der derzeitige Preis für einen Liter Milch zu hoch oder zu niedrig ist.

Ein Problem mit dem naturrechtlichen Ansatz ist also, dass es zwangsläufig zu willkürlichen Unterscheidungen führt, sei es im Bezug darauf was als Schützenswert gilt und was nicht, oder im Bezug auf die Dauer von diesem Schutz.

Eine Möglichkeit diese Schwierigkeit zu vermeiden ist natürlich zu behaupten, dass alles als g.E. auf unbeschränkte Zeit geschützt werden kann. Spooner[76] sprach sich beispielsweise für unbefristete Patente und Urheberrechte aus. Schulman ist ein Fürsprecher für einen viel weiteren Begriff von Ideen und Werke als g.E.. Er befürwortet Eigentumsrechte die er „Logorechte“ nennt, also Rechte an irgend einem „Logos“ von dem man der Urheber ist. Das Logos ist die „materielle Identität“ oder Identitätsmuster erschaffener Dinge. Der Eigentümer eines Logos wäre der Besitzer der Anordnung oder des Musters das sich in Materie manifestiert ist, bzw. darin beobachtet wird.

Der radikalste aller Befürworter vom g.E. ist Andrew Joseph Galambos, dessen Ideen, soweit ich sie verstehe, ans Absurde grenzen.[77] Galambos glaubte, dass man Rechte am eigenen Leben (ursprüngliches Eigentum) und an alle „nicht zeugungsfähige Ableitungen des eigenen Lebens“ hat.[78] Da die „ersten Ableitungen“ eines Menschen seine Gedanken und Ideen sind, sind sie sein „primäres Eigentum“. Da Handlungen auf primäres Eigentum (Ideen) beruht, ist man ebenfalls Eigentümer seiner Handlungen; dies wird als „Freiheit“ bezeichnet. Sekundäre Ableitungen wie Land, Fernseher und andere greifbare Güter entstehen durch Ideen und Handlungen. Eigentumsrechte sind demnach zu einen niederen sekundären Rang degradiert, unterhalb des „primären“ Rangs der Eigentumsrechte an Ideen. (Selbst Rand hat einmal Patente über das bloße Eigentumsrecht an greifbare Güter gestellt als sie behauptete, „Patente sind der Kern vom Eigentumsrecht“.[79] Sollen wir wirklich glauben, dass Eigentumsrechte nicht respektiert wurden, bevor Patente im neunzehnten Jahrhundert eingeführt wurden?)

Galambos trieb seine Ideen angeblich bis ins Absurde. Er beanspruchte ein Eigentumsrecht an seine eigenen Ideen und forderte von seinen Studenten sie nicht zu wiederholen;[80] er legte bei jedem Ausspruch des Wortes „liberty“ 5 cent zur Seite, als Honorar an die Nachfahren von Thomas Paine, der angeblich dieses Wort „erfunden“ hat; er nannte sich um von Joseph Andrew Galambos nach Andrew Joseph Galambos um nicht die Rechte seines gleichnamigen Vaters zu verletzen.[81]

Indem man das g.E. ausweitet und seine Dauer verlängert um solch beliebige Unterscheidungen wie die von Rand zu vermeiden, wird offensichtlich wie Absurd und ungerecht g.E. ist (anschaulich am Beispiel von Galambos). Wenn man weiter geht und die Frist für Patente und Urheberrechte ins unendliche setzt, wären nachfolgende Generationen immer mehr Einschränkungen im Bezug auf den Einsatz von ihrem Eigentum unterworfen. Niemand könnte eine Glühbirne herstellen–oder gar benutzen–ohne das Einverständnis der Nachfahren von Edison zu bekommen. Ohne die Erlaubnis der Nachfahren des ersten Urmenschen der seine Höhle verließ um eine Hütte zu bauen, könnte niemand auch nur ein Haus bauen. Niemand könnte ein ganze Palette von lebensrettenden Methoden, Chemikalien, oder Behandlungen benutzen, ohne die Genehmigung von verschiedenen reichen Nachfahren die etwas Glück hatten. Niemand könnte Wasser kochen um es zu reinigen oder Essen einlegen um es aufzubewahren, es sei denn er hat vom Urheber (oder seinen fernen Nachkommen) für diese Techniken eine Lizenz erhalten.

Solch unbeschränkte Rechte an Ideen wären eine ernste Gefahr für Rechte an greifbarem Eigentum und könnten sie überwältigen. Jeder denkbare Einsatz von Eigentum, jede Handlung müsste zwangsläufig mit einem der mit der Zeit angehäuften Millionen von Rechten an geistiges Eigentum in Konflikt stehen, und würde somit zum Aussterben der Menschheit führen. Wie Rand jedoch anmerkte sind Menschen keine Geister; wir haben ein spirituelles aber auch ein physisches Dasein.[82] Jedes System, dass die Rechte an Ideen derart ausweitet, dass es die Rechte am greifbaren Eigentum unterdrückt, kann kein ethisches System für lebende, atmende Menschen sein. Kein lebender Mensch kann sich tatsächlich an solch eine unbeschränkte Sicht vom g.E. halten. Die übrigen Befürworter schränken ihre Sicht vom g.E. im Bezug auf Umfang und/oder Dauer ein und greifen damit die oben geschilderte ethisch willkürliche Unterscheidungen auf.

Ein tieferes Problem für die naturrechtliche Position liegt in ihrer übertriebenen Betonung der „Erschaffung“ an Stelle der Knappheit als rechtfertigende Grundlage, worauf wir im Weiteren eingehen.



[73] Rand: „Patents and Copyrights,“ S. 130.

[74] Plant hat Recht mit seiner Aussage, „die Aufgabe eine Wissenschaftliche Entdeckung von seiner praktischen Anwendung zu unterscheiden, was patentierbar sein könnte…ist oftmals selbst für einen scharfsinnigen Rechtsanwalt verblüffend“. „The Economic Theory Concerning Patents for Inventions,“ S. 49–50. In diesem Zusammenhang, hat das oberste Gericht der U.S.A festgestellt, dass „die Spezifikation und Ansprüche in einem Patent…eines der am schwersten mit Genauigkeit auszulegenden gesetzlichen Regelungen darstellt“. Topliff v Topliff, 145 US 156, 171, 12 S.Ct. 825 (1892). Vielleicht liegt das daran, dass das Patentrecht nicht an objektive Grenzen von echtem greifbarem Eigentum festgemacht ist und dementsprechend von Natur aus vage, formlos, mehrdeutig und subjektiv ist. Man sollte alleine wegen dem letzten Grund meinen, dass Anhänger des Objektivismus–leidenschaftliche, selbst-ernannte Verteidiger vom Objektiven und Gegner des Subjektiven–sich gegen das Patent- und Urheberrecht stellen würden.

[75] In re Trovato, 33 USPQ2d 1194 (Fed Cir 1994). Neuerlich wurden Arten der mathematischen und Software Algorithmen die patentierbar sind, durch Rechtssprechung ausgeweitet. Siehe bspw. State Street Bank & Trust Co. v Signature Financial Group, 149 F3d 1368 (Fed Cir 1998). Das Patentrecht muss jedoch unabhängig davon wo man die Line zieht zwischen nicht patentierbare „Naturgesetze“ oder „abstrakte Ideen“ und patentierbare „praktische Anwendungen“ notwendigerweise eine solche Unterscheidung machen.

[76] Spooner: „The Law of Intellectual Property“; McElroy: „Intellectual Property: Copyright and Patent“; Palmer, „Are Patents and Copyrights Morally Justified?“ S. 818, 825.

[77] Siehe Galambos: The Theory of Volition, vol. 1. Evan R. Soulé, Jr., „What Is Volitional Science?“ http://www.tuspco.com/html/what_isv–50.html. Ich habe nur Umrisse der Theorien von Galambos gelesen. Ich bin auch vor ein paar Jahren zu meiner Überraschung einem echten, lebenden Galambosianer einmal begegnet (Ich hatte angenommen sie wären eine fiktive Erfindung von Tuccille [It Usually Begins with Ayn Rand, S. 69–71]), auf einer Konferenz vom Mises Institute. Meine folgende Kritik an den Ideen von Galambos ist nur soweit gültig wie ich seine Ansichten richtig beschreibe.

[78] Friedman: „In Defense of Private Orderings,“ n. 52; Foerster, „The Basics of Economic Government.

[79] Rand: „Patents and Copyrights,“ S. 133.

[80] Friedman: In Defense of Private Orderings, n. 52.

[81] Tuccille: It Usually Begins with Ayn Rand, S. 70. Freilich darf man vermuten, dass jeder Galambosianer außer Galambos selbst, der sich in einer ähnlich mißlichen Lage befindet, zur Lösung des Problems sein Name nach diesem Schema nicht umändern dürfte, denn diese Lösung ist eine unveräußerliche „absolute“ Idee von Galambos.

[82] Harry Binswanger, ed., The Ayn Rand Lexicon: Objectivism from A to Z (New York: New American Library, 1986), S. 326–27, 467.