Kapitel 11. Geistiges Eigentum und Eigentumsrechte

Inhaltsverzeichnis

Eigentum und Knappheit
Knappheit und Ideen
Schöpfung kontra Knappheit
Zwei Arten der originären Aneignung

Eigentum und Knappheit

Lasst uns einen Schritt zurücktreten und einen frischen Blick auf das Eigentumsrecht werfen. Libertäre glauben an Eigentumsrechte für greifbare Güter (Ressourcen). Warum? Welche Eigenschaft haben greifbare Güter, welches sie zum Gegenstand von Eigentumsrechte macht? Warum sind greifbare Güter Eigentum?

Wenn man kurz darüber nachdenkt, ist es die Knappheit–die Tatsache, dass im Bezug auf diese Güter mehrere Personen in ein Konflikt geraten können. Alleine schon die Möglichkeit, dass über Ressourcen Streit herrschen kann, macht es notwendig Regeln aufzustellen die ihre Nutzung bestimmen. Die grundsätzliche soziale und ethische Funktion von Eigentumsrechte ist die Verhinderung zwischenmenschlicher Konflikte über knappe Ressourcen.[83] So Hoppe:

Nur wegen der Knappheit sind wir überhaupt mit dem Problem konfrontiert, moralische Gesetze zu formulieren; sofern Güter im Überfluss vorhanden („frei“ Güter) sind, kann es keinen Konflikt über diese Güter geben und es ist nicht notwendig zwischenmenschliche Handlungen zu koordinieren. Daraus folgt, dass jede korrekt erdachte Ethik, als Theorie über Eigentum formuliert sein muss, also als Theorie über die Zuweisung von Rechte die besagen wer exklusiv über knappe Mittel verfügen darf. Nur so wird es möglich, ansonsten unvermeidliche und unlösbare Konflikte zu vermeiden.[84]

Viele andere haben ebenfalls die Bedeutung der Knappheit für die Definition von Eigentumsrechte erkannt, darunter Plant, Hume, Palmer, Rothbard und Tucker.[85]

Die Natur enthält also Objekte die aus ökonomischer Sicht knapp sind. Wenn ich ein solches Objekt benutzen möchte, steht das im Konflikt mit der Nutzung durch andere, bzw. schließt die Nutzung durch andere aus und umgekehrt. Der Sinn von Eigentumsrechte ist die Vermeidung zwischenmenschlicher Konflikte über knappe Ressourcen, indem man die Ressourcen zum exklusiven Eigentum bestimmter Personen (Eigentümer) macht. Damit sie diese Funktion erfüllen können, müssen sie sowohl sichtbar als auch gerecht sein. Es ist klar, dass man die Verletzung von Eigentumsrechte nur verhindern kann, wenn die Grenzen des Eigentums und ihre Zuweisung objektiv (intersubjektiv erfassbar) sind; sie müssen sichtbar sein.[86] Aus diesem Grund müssen Eigentumsrechte objektiv und eindeutig sein. Mit anderen Worten, „gute Zäune schaffen gute Nachbarn“.[87]

Eigentumsrechte müssen sowohl nachweislich gerecht als auch sichtbar sein, da sie sonst nicht ihre Funktion erfüllen können. Wenn die betroffenen Parteien sie nicht als gerecht akzeptieren können, werden weiterhin Konflikte entstehen.[88] Ungerecht zugewiesene Eigentumsrechte, oder gewaltsame Aneignung ist gleichbedeutend mit der Abschaffung des Eigentumsrechts; es ist die Reduzierung auf die Macht des Stärkeren, also auf die Situation vor dem bestehen der Eigentumsrechte. Libertäre sehen jedoch wie Locke, dass nur der erste Besetzer, bzw. Nutzer von Eigentum sein natürlicher Eigentümer sein kann. Nur die Regel des originär aneignenden ersten–Nutzers bietet eine objektive, ethische und nicht willkürliche Zuweisung von Eigentümer zu knappen Ressourcen.[89]

Wenn Eigentumsrechte an knappe Mittel entsprechend den Regeln der originären Aneignung zugewiesen werden, sind die Grenzen des Eigentums sichtbar und die Zuweisung ist nachweislich gerecht. Konflikte können mit dieser Art von Eigentumsrechten vermieden werden, da Dritte die Grenzen sehen, ihre Verletzung damit vermeiden können und dazu auch motiviert sein werden da die Zuweisung gerecht ist.

In Anbetracht des Ursprungs, der Rechtfertigung und der Funktion von Eigentumsrechten, muss es jedoch klar sein, dass sie nur auf knappe Güter anwendbar sind. Wären wir im Garten Eden wo Land und andere Güter in unbegrenzter Fülle vorliegen, gäbe es keine Knappheit und demnach auch kein Grund für Regeln über Eigentum; das Konzept des Eigentums wäre bedeutungslos. Konflikte und Rechte sind Ideen die nicht aufkommen würden. Wenn jemand meinen Rasenmäher beispielsweise wegnimmt, wäre ich deswegen nicht ärmer, da ich im nächsten Augenblick einen neuen herzaubern könnte. Die Wegnahme des Rasenmähers wäre unter diesen Umständen kein „Diebstahl“. Ein unendlich vorhandenes Gut ist nicht Gegenstand des Eigentumsrechts, da Konflikt darüber nicht entstehen können.

Demnach, müssen Eigentumsrechte objektive, erkennbare Grenzen haben und müssen entsprechend den Regeln der originären Aneignung zugewiesen werden. Desweiteren können Eigentumsrechte nur auf knappe Ressourcen angewandt werden. Das Problem des geistigen Eigentums ist, dass die idealen Objekte die durch ihn geschützt werden nicht knapp sind und darüber hinaus, nicht nach den Regeln der originären Aneignung zugewiesen werden können, was wir im weiteren sehen werden.



[83] Die grundsätzliche ökonomische oder katallaktische Rolle für Rechte an Privateigentum, zusammen mit Geldpreise die aus dem Handel mit Eigentum entstehen, ist ökonomische Kalkulation möglich zu machen. Siehe N. Stephan Kinsella: "Knowledge, Calculation, Conflict, and Law: Review Essay of Randy E. Barnett, The Structure of Liberty: Justice and the Rule of Law," Quarterly Journal of Austrian Economics 2, no. 4 (Winter 1999): 49–71.

[84] Hans-Hermann Hoppe: A Theory of Socialism and Capitalism (Boston: Kluwer Academic Publishers, 1989), S. 235 n. 9.

[85] Plant: „The Economic Theory Concerning Patents for Inventions,“ S. 35–36; David Hume: An Inquiry Concerning the Principles of Morals: With a Supplement: A Dialogue (1751; Neuauflage, New York: Liberal Arts Press, 1957); Palmer: „Intellectual Property: A Non-Posnerian Law and Economics Approach,“ S. 261–66 und n. 50 (welches zwischen „statischer“ und „dynamischer“ Knappheit unterscheidet), auch S. 279–80; Palmer: „Are Patents and Copyrights Morally Justified?“ S. 860–61, 864–65; and Rothbard: „Justice and Property Rights,“ in The Logic of Action One, S. 274; zu Tucker, siehe McElroy: „Intellectual Property: Copyright and Patent.

[86] Hoppe: A Theory of Socialism and Capitalism, S. 140–41. Es ist nicht meine Absicht Rechte auf die besagten zu beschränken; der Begriff „Sichtbar“ bedeutet beobachtbar und erkennbar. Diese Klarstellung verdanke ich Gene Callahan.

[87] Robert Frost: „The Mending Wall,“ in North of Boston, 2nd ed. (New York: Henry Holt, 1915), S. 11–13. (Bitte senden Sie mir im Bezug hierauf keine e-mail. Es ist mir egal was Frost mit diesem Gedicht „wirklich“ meinte. Mir gefällt einfach nur die Redewendung.)

[88] Hoppe: A Theory of Socialism and Capitalism, S. 138.

[89] Über den Richtigen Ansatz zur originären Aneignung und der Regel des ersten Nutzers, schreibt Hoppen in, A Theory of Socialism and Capitalism, S. 141–44; Hoppe, The Economics and Ethics of Private Property (Boston: Kluwer Academic Publishers, 1993), S. 191–93; Jeffrey M. Herbener: „The Pareto Rule and Welfare Economics,Review of Austrian Economics 10, no. 1 (1997): 105: „Nachdem ein Objekt zum Eigentum des ersten Nutzers wird ist es für andere nicht mehr Möglich der erste Nutzer zu sein; demnach haben ihre Wünsche zu dem Zeitpunkt keinen Einfluss auf den nach dem Pareto-Kriterium überlegenen Anspruch des ersten Nutzers“; und de Jasay: Against Politics, S. 172–79. Über die ethische Rechtfertigung von solch einem System des Eigentumsrechts schreibt Hoppe in A Theory of Socialism and Capitalism, kap. 7; Hoppe, The Economics and Ethics of Private Property; Rothbard, The Ethics of Liberty; Rothbard, „Justice and Property Rights,“ in The Logic of Action One; N. Stephan Kinsella, „A Libertarian Theory of Punishment and RightsLoyola of Los Angeles Law Review 30 (Spring 1996): 607; N. Stephan Kinsella, „New Rationalist Directions in Libertarian Rights Theory,Journal of Libertarian Studies 12, no. 2 (Fall 1996): 313–26.