Zwei Arten der originären Aneignung

Was ist jedoch so schlimm daran „neue“ Eigentumsrechte anzuerkennen? Neue Ideen, künstlerische Schöpfungen und Erfindungen sind für uns schließlich eine ständige Bereicherung, worin liegt der Schaden sich mit der Zeit zu bewegen und die neue Form von Eigentum anzuerkennen? Das Problem bei der Anerkennung von Eigentumsrechte an nicht knappe Ressourcen ist, dass dies zwangsläufig zur Einschränkung der Eigentumsrechte an greifbare Ressourcen führt. Wir können nur auf eine Art Rechte an ideelle Objekte anerkennen, nämlich indem wir Rechte an knappe Gütern zuweisen. Wenn mein Patent – das Recht an einer Idee oder einem Muster, nicht an einem knappen Gut – gültig sein soll, muss ich zum Teil die Verfügungsgewalt über die knappen Ressourcen aller anderen haben.

Wir sehen sogar, dass Rechte an g.E. tatsächlich eine neue Regel für die originäre Aneignung knapper Ressourcen darstellt, welches die libertäre Regel der originären Aneignung untergräbt. Denn nach der libertären Regel von Locke, wird der erste Nutzer zum Eigentümer einer bis dahin freien knappen Ressource. Ein Nachzügler der einen Teil oder die vollständige Verfügungsgewalt über derart angeeignetes Eigentum erlangt, ist ganz einfach ein Dieb, denn es ist bereits das Eigentum eines anderen. Der Dieb schlägt im Wesentlichen eine neue, beliebige und eigensinnige Regel zur originären Aneignung vor, womit die Regel des ersten Nutzers ersetzt werden soll und die wie folgt lautet: „Ich werde zum Besitzer von Eigentum, wenn ich es von dir gewaltsam wegnehme“. Solch eine Regel ist freilich gar keine Regel und ist eindeutig der Regel des ersten Nutzers unterlegen. Die Regel des Diebes ist nicht universell sondern eigensinnig; sie ist nicht gerecht und ganz sicher nicht erdacht um Konflikte zu vermeiden.

Befürworter von g.E. müssen sich auch für eine neue Regel zur originären Aneignung aussprechen, welche die Regel des ersten Nutzers ergänzt, wenn nicht sogar ersetzt. Sie müssen behaupten, dass es eine zweite Art gibt wodurch man zum Eigentümer greifbaren Eigentums werden kann. D.h. der Befürworter von g.E. muss eine Regel zur originären Aneignung ähnlich der Folgenden vorschlagen: „Eine Person die eine kreative oder nützliche Idee ausdenkt, welches einen Handelnden bei der Nutzung seines greifbaren Eigentums leiten oder lenken kann, erlangt dadurch mit sofortiger Wirkung das Recht jedes andere greifbare Eigentum der Welt zu kontrollieren, soweit es eine ähnliche Nutzung des Eigentums betrifft“. Diese neue Art originärer Aneignung ist derart mächtig, dass es dem Schöpfer Rechte an Eigentum gibt welches bereits das Eigentum von Dritten ist.

Indem jemand z.B. eine neue Art erfindet einen Brunnen zu graben, kann er als Erfinder alle Personen auf der ganzen Welt daran hindern auf diese Art Brunnen zu graben, selbst auf ihrem eigenen Eigentum. Ein weiteres Beispiel ist die Vorstellung einer Zeit als Menschen noch in Höhlen lebten. Ein kluger Junge–nennen wir ihn Galt-Magnon–entschließt sich eine Holzhütte auf ein offenes Feld in der Nähe von seinem Acker zu bauen. Das ist sicherlich eine gute Idee und die anderen sehen es. Sie ahmen Galt-Magnon nach und fangen an ihre eigenen Hütten zu bauen. Der erste Mensch der das Haus erfunden hat, hat laut den Befürwortern des g.E. das Recht die anderen daran zu hindern auf ihrem eigenen Land mit ihrem eigenen Holz Häuser zu bauen, oder eine Abgabe von ihnen zu verlangen sollten sie doch eins bauen. Es ist offensichtlich, dass der Erfinder in diesen Beispielen zum Miteigentümer von greifbarem Eigentum der anderen wird (d.h. von Land und Holz), und zwar nicht aufgrund seiner erstmaligen Nutzung des Eigentums (denn es wurde bereits in Besitz genommen), sondern aufgrund seiner Schöpfung einer Idee. Es ist klar, dass diese Regel gegen die des ersten Nutzers verstößt. Es untergräbt beliebig und grundlos die grundlegende Regel allen Eigentums.

Tatsächlich gibt es keinen Grund, warum es ausreichen sollte bloß etwas zu erfinden, damit der Erfinder zum Miteigentümer am Eigentum aller anderen werden sollte. Nur weil eine Regel vorgeschlagen werden kann bedeutet es nicht, dass die funktionieren kann oder gerecht ist. Es gibt viele beliebige Regeln die man sich zur Zuweisung von Eigentum ausdenken könnte. Ein Rassist könnte beispielsweise vorschlagen, dass jeder Weiße das Eigentum von einem Schwarzen aneignen kann. Es könnte auch der dritte Nutzer einer knappen Ressource zum Besitzer gemacht werden. Der Staat könnte alle Kapitalgüter aneignen, selbst wenn Individuen sie vorher angeeignet haben. Der Staat könnte per Edikt, also durch Besteuerung, sich einen Teil des Eigentums privater Individuen aneignen. Jede solche willkürliche Regelung zur Aneignung, inklusive der Regel, dass die Schöpfer von g.E. einen Teil der Kontrolle über das greifbare Eigentum von jedem anderen erlangen können, sind nicht zu rechtfertigen. Alle stehen im Konflikt mit der einzigen Regel zur Aneignung die gerechtfertigt werden kann, die des ersten Nutzers. Keine der Regeln ist fair, objektiv oder verhindert zwischenmenschliche Konflikte über knappe Ressourcen. Die Debatte über den Schutz von Rechte an „Ideen“, „Kreationen“ oder „Sachen mit einem Wert“ dient nur zur Verschleierung der Tatsache, dass die Befürworter von g.E. Gegner des uneingeschränkten Rechts sind sich Privateigentum originären Anzueignen.