Kapitel 10. Geistiges Eigentum im Libertarismus

Inhaltsverzeichnis

Das Spektrum
Die utilitaristische Verteidigung
Die naturrechtliche Verteidigung

Das Spektrum

Im Libertarismus reichen die Sichten über g.E. von gänzlicher Unterstützung in jeder vorstellbaren Form, bis hin zu gänzlicher Ablehnung. Die Debatte dreht sich im Wesentlichen um das Patent- und Urheberrecht; wie im Weiteren diskutiert wird, sind Gesetze zu Markenzeichen und Geschäftsgeheimnisse weit weniger problematisch, weshalb sich dieser Artikel hauptsächlich die Rechtmäßigkeit vom Patent- und Urheberrecht behandelt.

Die Argumente für geistiges Eigentum, lassen sich in zwei Kategorien aufteilen: Naturrecht und Utilitarismus. Die Befürworter vom g.E. stützen ihre Rechtfertigung vorwiegend auf Argumente der ersten Kategorie.[58] Zu den Befürwortern aus naturrechtlicher Sicht, oder zumindest nicht explizit utilitaristisch, gehören von extrem bis zu moderat, Galambos, Schulman und Rand.[59] Unter den Vorgängern des modernen Libertarismus sprachen sich Spooner und Spencer für g.E. aus, mit einer moralischen Begründung oder durch eine Begründung im Naturrecht.[60]

Nach der Sicht mancher Libertärer, begründet im Naturrecht, verdienen Schöpfungen des Geistes den gleichen Schutz wie greifbares Eigentum. Beide sind das Ergebnis der eigenen Arbeit und des eigenen Geistes. Da die eigene Arbeit einem gehört, hat man

ein natürliches Recht an den Früchten der eigenen Arbeit. Aus dieser Sicht hat man ebenso ein Recht an den Ideen die man generiert und an der Kunst die man produziert, wie man auch ein Recht an die eigens angebaute Ernte hat.[61]

Diese Theorie hängt davon ab, dass der eigene Körper und die eigene Arbeit und demnach die damit erzeugten Früchte (also auch geistige „Schöpfungen“) einem gehören. Ein Individuum kann ein Sonett, ein Lied, eine Skulptur erschaffen, indem er seine eigene Arbeit und seinen Körper einsetzt. Deshalb hat er ein Anrecht an seine „eigenen“ Schöpfungen, denn sie sind aus anderen Dingen die ihm „gehören“ entstanden.

Es gibt auch utilitaristische Argumente für geistiges Eigentum. Bundeststaatlicher Richter Richard Posner ist ein prominenter utilitaristischer (jedoch kein libertärer) Befürworter vom g.E.[62] Unter Libertären untersucht der Anarchist David Friedman g.E. und befürwortet es mit „rechtliche und wirtschaftliche“ Argumente[63], was ein utilitaristisches institutionelles System darstellt. Das utilitaristische Argument geht davon aus, dass wir Gesetze und Reglungen wählen sollten, die den „Wohlstand“ oder den „Nutzwert“ (engl. utility) maximieren. Im Bezug auf das Urheber- und Patentrecht ist der Grundgedanke, dass mehr künstlerische und kreative „Innovationen“ zu mehr Wohlstand führen oder damit einhergehen. Öffentliche Güter und Trittbrettfahrer reduzieren diesen Wohlstand auf ein suboptimales Niveau, d.h. niedriger als es wäre wenn es keine angemessenen Gesetze zum g.E. gäbe. Demnach wird der Wohlstand optimiert oder zumindest vergrößert, wenn man Monopole durch das Urheberrecht und Patente gewährt, die Autoren und Erfinder dazu ermutigen kreativ zu sein und neues zu entwickeln.[64]

Andererseits ist der Widerstand gegen Patente und Urheberrechte eine lange Tradition. Moderne Gegner sind u.a. Rothbard, McElroy, Palmer, Lepage, Bouckaert, und meine Wenigkeit.[65] Benjamin Tucker stellte sich ebenfalls energisch gegen g.E. in einer Debatte veröffentlicht in Liberty[66], einer durch den Individualistischen Anarchismus geprägt Zeitschrift aus dem neunzehnten Jahrhundert. Diese Beobachter weisen auf die vielen Probleme der üblichen utilitaristischen und naturrechtlichen Argumente hin, die üblicherweise für g.E. gegeben werden. Diese und andere Mängel der gängigen Argumente für g.E. untersuchen wir im weiteren.



[58] Klassische Theorien zum g.E. findet man in „Bibliography of General Theories of Intellectual Property,Encyclopedia of Law and Economics, http://encyclo.findlaw.com/biblio/1600.htm; sowie Edmund Kitch, „The Nature and Function of the Patent System,Journal of Law and Economics 20 (1977): 265.

[59] Siehe Andrew J. Galambos: The Theory of Volition, vol. 1, ed. Peter N. Sisco (San Diego: Universal Scientific Publications, 1999); J. Neil Schulman: „Informational Property: Logorights,Journal of Social and Biological Structures (1990); sowie Rand: „Patents and Copyrights.

Andere aus dem Objektivismus (Ayn Rand) die g.E. befürworten sind George Reisman: Capitalism: A Treatise on Economics (Ottawa, Ill.: Jameson Books, 1996), S. 388–89; David Kelley: „Response to Kinsella,IOS Journal 5, no. 2 (June 1995): 13, in response to N. Stephan Kinsella, „Letter on Intellectual Property Rights,IOS Journal 5, no. 2 (June 1995): S 12–13; Murray I. Franck: „Ayn Rand, Intellectual Property Rights, and Human Liberty,“ 2 audio tapes, Institute for Objectivist Studies Lecture; Laissez-Faire Books (1991); Murray I. Franck, „Intellectual Property Rights: Are Intangibles True Property,“ IOS Journal 5, no. 1 (April 1995); und Murray I. Franck: „Intellectual and Personality Property,“ IOS Journal 5, no. 3 (September 1995): 7, in response to Kinsella, „Letter on Intellectual Property Rights.

Zu den Ideen von Galambos ist es schwierig Veröffentlichungen zu finden, scheinbar weil seine eigenen Theorien bizarrerweise seine Unterstützer daran hindern sie zu verbreiten. Siehe z.B., Jerome Tuccille, It Usually Begins with Ayn Rand (San Francisco: Cobden Press, 1971), S. 69–71. Verweise auf und Diskussionen zu den Theorien von Galambos findet man jedoch in David Friedman, „In Defense of Private Orderings: Comments on Julie Cohen's ‚Copyright and the Jurisprudence of Self-Help‘,Berkeley Technology Law Journal 13, no. 3 (Fall 1998): n. 52; und in Stephen Foerster: „The Basics of Economic Government,“ http://www.economic.net/articles/ar0001.html.

[60] Lysander Spooner: „The Law of Intellectual Property: or An Essay on the Right of Authors and Inventors to a Perpetual Property in Their Ideas,“ in The Collected Works of Lysander Spooner, vol. 3, ed. Charles Shively (1855; reprint, Weston, Mass.: M&S Press, 1971); Herbert Spencer, The Principles of Ethics, vol. 2 (1893; reprint, Indianapolis, Ind.: Liberty Press, 1978), Teil IV, kap. 13, S. 121. Siehe auch Wendy McElroy: „Intellectual Property: Copyright and Patent,“ http://www.zetetics.com/mac/intpro1.htm und http://www.zetetics.com/mac /intpro2.htm; and Palmer, „Are Patents and Copyrights Morally Justified?“ S. 818, 825.

[61] Palmer: Are Patents and Copyrights Morally Justified? S. 819.

[62] Richard A. Posner, Economic Analysis of Law, 4th ed. (Boston: Little, Brown, 1992), § 3.3, S. 38–45.

[63] David D. Friedman: „Standards As Intellectual Property: An Economic Approach,University of Dayton Law Review 19, no. 3 (Spring 1994): S. 1109–29; David D. Friedman: Law's Order: What Economics Has to Do with Law and Why it Matters (Princeton, N.J.: Princeton University Press, 2000), kap. 11. Ejan Mackaay ist ebenfalls ein Befürworter vom g.E. auf utilitaristischer Grundlage, siehe „Economic Incentives in Markets for Information and Innovation,“ in „Symposium: Intellectual Property,Harvard Journal of Law & Public Policy 13, no. 3, S. 867.

Frühe utilitaristische Befürwortern sind u.A. John Stuart Mill und Jeremy Bentham. Siehe Arnold Plant: „The Economic Theory Concerning Patents for Inventions,“ in Selected Economic Essays and Addresses (London: Routledge & Kegan Paul, 1974), S. 44; Roger E. Meiners und Robert J. Staaf: „Patents, Copyrights, and Trademarks: Property or Monopoly?“ in „Symposium: Intellectual Property,Harvard Journal of Law & Public Policy 13, no. 3, S. 911.

[64] Siehe Palmer: „Are Patents and Copyrights Morally Justified?“ S. 820–21; Julio H. Cole: „Patents and Copyrights: Do the Benefits Exced the Costs?“ htt://www.economia.ufm.edu.gt/Catedraticos/jhcole/Cole%20MPS.pdf

[65] Siehe Murray N. Rothbard: Man, Economy, and State (Los Angeles: Nash Publishing, 1962), S. 652–60; Murray N. Rothbard, The Ethics of Liberty, S. 123–24; Wendy McElroy: „Contra Copyright,The Voluntaryist (June 1985); McElroy: „Intellectual Property: Copyright and Patent“; Tom G. Palmer: „Intellectual Property: A Non-Posnerian Law and Economics Approach,Hamline Law Review 12 (1989): 261; Palmer, „Are Patents and Copyrights Morally Justified?“; zu Lepage, siehe Mackaay, „Economic Incentives,“ S. 869; Boudewijn Bouckaert, „What is Property?“ in „Symposium: Intellectual Property,Harvard Journal of Law & Public Policy 13, no. 3, S. 775; N. Stephan Kinsella: „Is Intellectual Property Legitimate?Pennsylvania Bar Association Intellectual Property Law Newsletter 1, no. 2 (Winter 1998): 3; Kinsella: „Letter on Intellectual Property Rights,“ und „In Defense of Napster and Against the Second Homesteading Rule.

F.A. Hayek scheint sich ebenfalls gegen Patente auszusprechen. Siehe The Collected Works of F.A. Hayek, vol. 1, The Fatal Conceit: The Errors of Socialism, ed. W.W. Bartley (Chicago: University of Chicago Press, 1989), S. 6; und Meiners und Staaf: „Patents, Copyrights, and Trademarks,“ S. 911. Cole stellt in „Patents and Copyrights: Do the Benefits Exceed the Costs?“ die utilitaristischen Rechtfertigungen für Patente und Urheberrechte in Frage. Siehe auch Fritz Machlup, U.S. Senate Subcommittee On Patents, Trademarks & Copyrights, An Economic Review of the Patent System, 85th Cong., 2nd Session, 1958, Study No. 15; Fritz Machlup und Edith Penrose: „The Patent Controversy in the Nineteenth Century,Journal of Economic History 10 (1950): 1; Roderick T. Long: „The Libertarian Case Against Intellectual Property Rights,Formulations 3, no. 1 (Autumn 1995); Stephen Breyer, „The Uneasy Case for Copyright: A Study of Copyright in Books, Photocopies, and Computer Programs,Harvard Law Review 84 (1970): 281; Wendy J. Gordon, „An Inquiry into the Merits of Copyright: The Challenges of Consistency, Consent, and Encouragement Theory,Stanford Law Review 41 (1989): 1343; und Jesse Walker, „Copy Catfight: How Intellectual Property Laws Stifle Popular Culture,Reason (March 2000).

[66] McElroy: „Intellectual Property: Copyright and Patent“. William Leggett, ein Redakteur für die Jacksonian im neunzehnten Jahrhundert war ebenfalls ein vehementer Gegner vom geistigen Eigentum. Siehe Palmer, „Are Patents and Copyrights Morally Justified?“ S. 818, 828–29. Ludwig von Mises äußerte keine Meinung zu dem Thema, sondern beschränkte sich darauf die wirtschaftlichen Folgen solcher Gesetzgebung zu untersuchen. Siehe Human Action, 3rd rev. ed. (Chicago: Henry Regnery, 1966), chap. 23, section 6, S. 661–62.